Dr. O. Hoffmann
Erotik und Sexualität haben immer auch eine komische Komponente - erst recht,
wenn aus der Erotik Pornographie gemacht wird - von wem auch immer.
Mag sein, daß diese skurrile Komponente der Sexualität damit zusammenhängt,
daß zentrale Sexualorgane gerade mit den Ausscheidungsorganen zusammenfallen oder benachbart sind,
wie schon Stanislav Lem herausgestellt hat.
An diesem biologischen Zufall scheitern zahlreiche Religionen und Gesellschaften
schon seit Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden,
weil in ihnen ein normaler oder besser unbelasteter Umgang mit Sexualität unmöglich gemacht wird.
Zwangsläufig wird diese Problematik auch in einer modernen, aufgeklärten Gesellschaft
in der erotischen Literatur weiter thematisiert werden müssen,
weil diese Schatten der Vergangenheit nicht zu ignorieren sind.
Ein einmaliger Tabubruch löst das Problem nicht,
solange die bizarren Vorstellungen im betreffenden religiösen Weltbild Bestand haben.
Ein anderer komischer Aspekt ergibt sich beinahe von selbst aus dem Unterschied zwischen Sein und Schein bei der intimen zwischenmenschlichen Interaktion. Denn wie sonst auch im Leben - wann läuft schon mal alles so, wie man es gerne hätte? Zumal vielen auch wegen oben genannter Problematik eine geeignete Artikulation fehlt. Und auch weil der Sexualakt mystifiziert und idealisiert wird, was den Anspruch vermeintlich oder wirklich weckt, dieser müsse in gewisser Weise perfekt für die Beteiligten nach nicht weiter hinterfragten Vorgaben oder Illusionen ablaufen, um den Ansprüchen zu genügen, von denen man teils gar nicht so genau weiß, wer mit welcher Autorität sie formuliert hat.
Manch weiterer komischer Moment resultiert einfach aus der Verschiedenartigkeit von Mann und Frau im ganzen Handeln und Denken. Wobei sich das nicht einmal auf Paare bestehend aus Mann und Frau beschränkt. Die Variationsbreite der menschlichen Existenz ist hoch, von daher können natürlich homosexuelle Partner auf ähnliche Probleme treffen oder sich auch die Rollen umdrehen, relativ zu dem, was man so an durchschnittlich männlichem und weiblichem Verhalten erwarten mag. Vergnügliche Mißverständnisse sind vorprogrammiert, die sich in Erwartungen, Bedürfnissen und Hoffnungen widerspiegeln. Erotik und sexuelle Attraktion verbindet so manches Mal, was so augenscheinlich oder auch nur vermeintlich nicht zusammengehört. Aus dem Wechselspiel zwischen Attraktion und Repulsion ergibt sich die erotische Spannung und auch die Komik des sexuellen Aspektes des menschlichen Daseins.
Ironie und Komik ist schon immer ein Mittel gewesen, um sich mit Problemen oder stereotypen Vorstellungen auseinanderzusetzen, ob nun religiösen, gesellschaftlichen Problemen oder auch biologischen Unabwendbarkeiten. Gewiß wird man sich mit Ironie und Komik und auch der Beschäftigung mit erotischer Literatur nicht nur Freunde machen. Eine Kombination ist da dann natürlich erst recht eine prickelnde, provozierende Angelegenheit.
Nicht zuletzt wegen letztlich irrationaler Empfindlichkeiten wird die Frage,
ob ein literarisches Werk nun 'seriös', erotisch oder pornographisch ist,
immer ein Diskussionsthema bleiben, weil diese Bewertung immer im Auge des Betrachters liegen wird.
Erotik ist etwas, was vor allem ganz subjektiv im eigenen Kopf passiert - oder eben auch nicht.
Ähnlich wie bei einem Kunstwerk, welches durch Bezeichnung oder Interpretation zu einem solchen wird,
wird ein Text zu einem erotischen oder auch nicht.
Die Bezeichnung oder Interpretation von Teilen des Publikums oder des Autors schließt andere Interpretationen von
anderen Teilen des Publikums nicht aus, was auch recht unsinnig wäre, eben weil es dabei um höchst individuelle,
persönliche Erfahrungen und Geschmäcker geht.