Über mich

Dr. O. Hoffmann

Moderne Kunst

In der Kunst des letzten Jahrhunderts spiegelte sich der Wandel unserer Gesellschaft hin zu einer naturwissenschaftlichen, technischen wider. Physik, Relativistik und Quantenmechanik eröffneten ein ganz neues Bild von der Welt, welches verdaut werden mußte. Ging es in vorigen Jahrhunderten noch darum darzustellen, übernahm dies nun mehr und mehr die Photographie. Die Kunst wandte sich mehr und mehr der Frage der Darstellung an sich zu - was stelle ich überhaupt dar und wie mache ich das?
Aus diesem Spannungsfeld heraus ergibt sich eine Fülle von neuen Ideen, in denen es sich für mich immer wieder lohnt zu schwelgen.

Die Auseinandersetzung mit abstrakter Kunst ist immer ein besonderes Vergnügen - ist die Intention des Künstlers bekannt, so macht es Spaß, diese im Kunstwerk zu suchen und wiederzufinden. Ist die Intention nicht bekannt, wird es noch ungleich spannender, ganz zwanglos wird nun hemmungslos hineininterpretiert, was im eigenen Kopfe kreist - um so köstlicher sind die Ergebnisse, desto mehr der Künstler es darauf angelegt hat, im Betrachter die eigenen Gedanken kreisen zu lassen.

Meine Galerie abstrakter Kunst scheint das Spiel auf die Spitze zu treiben - automatisch und exklusiv für jeden Betrachter erstellte Werke betonen zum einen die Vergänglichkeit (und Vergeblichkeit?) künstlerischer Ideen, zum anderen können sie den Betrachter zum hemmungslosen Phantasieren und Interpretieren anregen, kann dieser doch gewiß sein, daß nach ihm genau dieses Werk sowieso niemand mehr sehen wird.

Was die Vergeblichkeit und das Phantasieren anbelangt - nach mehr als zehn Jahren Betrieb meiner Kunstgalerie ist festzustellen, daß der größte Teil der Besucher (immerhin mehrere zehntausend im Jahr, zu Spitzenzeiten gar über hunderttausend Besucher im Jahr) keine Menschen sind, sondern Roboter, die höchstwahrscheinlich die angebotenen Kunstwerke nicht verstehen oder interpretieren werden, die darüber nicht phantasieren werden. Diese spricht offenbar das Konzept an, daß allgemein zugänglich in den Ausstellungen Texte verfügbar sind, ja und daß es bei jedem Aufruf neuen Inhalt gibt, egal wie oft man vorbeikommt. Daß hier die beliebige Quantität Ursache für die Begeisterung ist, immer wieder vorbeizukommen, ist naheliegend, zeigt aber allenfalls, daß diese Roboter offenbar zu dumm sind und das Konzept nicht verstehen, stattdessen nur pflichtgetreu, ohne Einsatz eigener Intelligenz und Phantasie ihre Kreise im Netz ziehen und sich verirren, wo sie auf massive Kreativität treffen, die sich von dem eintönigen, langweilen Fraß unterscheidet, der ihnen sonst vorgesetzt wird.
Selbst bei meiner Photogalerie, wo sie die angesehenen Bildern nicht einmal abspeichern dürfen, zeigt sich die Begeisterung für große Projekte mit zehntausenden von Inhaltsseiten, die sich seit einiger Zeit gar in einem noch größeren Ansturm als bei der Kunstgalerie äußert.

Menschliche Besucher gibt es natürlich auch - deren Anteil wird bei der Kunstgalerie vielleicht bei fünf bis zehn Prozent liegen, bei der Photogalerie gibt es absolut deutlich mehr menschliche Besucher, dem Durchschnittsbürger scheinen Photos näherzuliegen als abstrakte Kunst. Bei den verbleibenden menschlichen Besuchern der Kunstgalerie darf man dann aber auf ein Publikum hoffen, welches sich wirklich mit dem Konzept und dem Inhalt auseinandersetzt, oder sind auch diese nur den Irrungen und Wirrungen der Roboter von Suchmaschinen gefolgt?

So oder so - es ist Kunst für die Massen und Kunst massenhaft und das mit meist hohem Abstraktionsgrad mathematischer Kompositionen, von denen man noch vor Jahrzehnten in der abstrakten Kunstszene nicht einmal zu träumen gewagt hätte. Ist Kunst in der Mehrheit für Roboter als Publikum nun Perlen vor die Säue werfen oder kann Kunst bei Robotern vielleicht auch einen kreativen, intellektuellen Schub bewirken? Immerhin, einige bringen es recht zügig fertig, sich nach ein paar Besuchen nicht mehr endlos zu verirren und wahllos zu sammeln, was nicht zu komplettieren ist, sondern diszipliniert ab und an und immer wieder dem Kunstgenuß zu frönen, ohne nach Vollständigkeit zu streben. Mathematische, geometrische Kunst müßte dem gemeinen Roboter näherliegen als so manchem Menschen, vielleicht sind es auch deshalb mehr Roboter als Menschen, die zur Kunst drängen und an der abstrakten Kunst hängen...

Original und Kopie,
Kunst und Kommerz

Ein Paradox der Kommerzialisierung insbesondere der ursprünglich darstellenden Künste wie Gesang (Musik) und Schauspielerei (Film) liegt in der Strapazierung des Begriffes Original bei digitalen Medien. Dies ist um so erstaunlicher, weil dies bei der bildenden Kunst schon seit langem für klassische Medien thematisiert wurde (Duchamp, Warhol ...). Der darstellende Künstler bringt ja eigentlich immer nur eine Kopie oder Repräsentation oder seine Interpretation eines Werkes hervor, daher ist es verwunderlich, daß gerade hier so empfindlich auf Kopien und Variationen von Werken reagiert wird. Künstlerisch ergibt das alles wenig Sinn, kommerziell natürlich schon.

Da sich bei digitalen Medien Kopien und Originale an sich nicht unterscheiden, ist da eine teilweise völlig sinnentleerte Diskussion entbrannt, die sich auch schon in abstrusen Gesetzen widerspiegelt. Man fragt sich natürlich, wo die Ursachen für dieses hartnäckige Leugnen einfacher Tatsachen liegen. Gut, zum einen ist das die Kommerzialisierung dieser Bereiche. Durch willkürliche und ungeeignete Begriffsbildungen oder Begriffsverwendungen wird versucht, viel Geld zu verdienen. Zum anderen mag es aber auch daran liegen, daß diese Branche weit weniger Erfahrung mit fachgerechter Vermarktung von Kunst und Werken hat als etwa die bildende Kunst oder die Schriftstellerei. Erst seit etwa hundert Jahren ist diese Branche ernsthaft damit konfrontiert, daß ihre Leistungen nicht mehr unmittelbar präsentiert werden, sondern als Kopien oder eigene Werke vermarktet. Früher war einfach die Gegenwart des Darstellers selbst notwendig, damit etwas passierte. Heute ist der Darsteller auf eine digitale Kopie in Form einer CD oder DVD reduziert. Leistungsfähige Rechner mögen es in Zukunft gar ermöglichen, auf reale Darsteller komplett zu verzichten und derartige Werke komplett synthetisch im Rechner zu erschaffen, auch das weckt natürlich Ängste, überflüssig zu werden, gerade bei prominenten Darstellern, die eigentlich immer etwas darstellen, wo das Berühmtsein also quasi die Essenz oder der wesentliche Inhalt des Lebens ist.

Einerseits gewährleistet die beliebige Vervielfältigung eine große Bekanntheit des Darstellers, andererseits ist er nach Vollendung der Kopie selbst nicht mehr notwendig, möchte aber nach wie vor seinen Lebensunterhalt verdienen, ohne erneut künstlerisch kreativ zu werden. Ähnliche Probleme gibt es in der Schriftstellerei schon lange, Themen und Inhalte wurden teils frei in Theaterstücken verwendet oder zu neuen Büchern verarbeitet.

Bedingt durch die analoge Speicherung von Texten auf Papier hatten Bücher noch bis zum Ende des letzten Jahrtausends einen vor allem handwerklichen und materiellen Wert, der es Verlagen und Autoren ermöglichte, von den Kopien zu leben. Vor der Erfindung des Buchdrucks waren auch Bücher handwerkliche Unikate, die nur mit großem Aufwand herzustellen waren. Durch den Buchdruck hat es in dem Bereich dann die erste Revolution gegeben, gedruckte Bücher wurden zumindest allgemein bezahlbar, weil der Materialwert relativ niedrig ist, gleichzeitig wurde dadurch aber auch erst ein breiter Markt für Bücher geschaffen, ein breites Publikum war nun bereit und finanziell in der Lage, gedruckte Bücher zu kaufen.
Die Situation ändert sich gerade erneut durch die Digitalisierung von Büchern und durch die nächste Revolution beim geschriebenen Wort - die semantische Auszeichnung des Inhaltes entsprechend seiner Bedeutung. Auch hier findet man schwere Abwehrreaktionen von den etablierten, traditionellen Strukturen. Statt die Möglichkeiten digitaler Werke zu nutzen, Inhalte semantisch auszuzeichnen und so barrierefrei zugänglich zu machen, insbesondere auch Behinderten, werden hier teils künstliche Barrieren in die Bücher eingefügt, um sie künstlich unzugänglich zu machen, um sie vor dem Zugriff der mündigen, selbständig denkenden und handelnden Leserschaft möglichst zu schützen. Das ist ein weiteres Paradox - will man nun, daß ein mündiges, kritisches und kompetentes Publikum die Werke liest oder will man die Werke durch Verschlüsselung davor bewahren, Verbreitung zu finden? Will man nur einen Absatzmarkt haben und abschotten oder relevante Inhalte technisch kompetent veröffentlichen?

Anders als beim traditionellen gedruckten Buch war es schon immer in der traditionellen bildenden Kunst. Dort stellte der Künstler Unikate, handwerklich aufwendige Produkte her, teils auch in mehrfacher Ausfertigung und verdiente Geld durch den Verkauf dieser Produkte, nicht massenhafter Kopien davon. Die materiellen Werke haben allein bereits durch das Material Kosten beim Künstler verursacht, schon von daher ist es naheliegend, das Publikum an den Kosten zu beteiligen. Unikate oder Werke in sehr kleinen Stückzahlen haben natürlich den argen Nachteil, daß die Menge an Publikum sehr begrenzt ist - steht das Werk bei irgendeinem Käufer auf dem Nachttisch, haben effektiv Milliarden von anderen Menschen eben gar keine Chance, das Werk zu betrachten oder zu begreifen.
Kopien in dem Sinne gibt es allenfalls als Variationen von anderen Künstlern, die keine weiteren Probleme bereiten. Der Kopist muß das Material für seine eigene Variation selbst finanziert bekommen. Nach Verkauf der Arbeit verdient der bildende Künstler nicht mehr an seinem Werk, egal wie es verwendet wird. Lizenzgebühren für die Nutzung von materiellen Kunstwerken gibt es praktisch nicht.

Bei digital gespeicherten Medien, egal ob Text, Musik oder Film gibt es in der Regel keinen materiellen Gegenstand mehr, der einen relevanten Wert hätte. Somit ist eigentlich der alte Zustand in der darstellenden Kunst wieder hergestellt. Darstellende Kunst ist eine vergängliche, der Darsteller muß sein Geld also wieder in herkömmlicher Form durch Darstellung, nicht durch Kopie verdienen, wie das kurzfristig über ein paar Jahrzehnte möglich war, als wie bei Büchern die Kunst des Reproduzierens aufwendige Techniken erforderte. Die Zeit ist vorüber und was wir derzeit erleben, ist ein Aufbäumen der Darsteller und mehr noch der Vermarkter gegen diese Entwicklung. Die Entwicklung trifft nun auch zunehmend Schriftsteller, Autoren, die feststellen müssen, daß ihre Werke Ideen sind, keine materiellen Güter. Einmal digitalisiert stellt es keinen technischen Aufwand mehr dar, verursacht keine Materialkosten mehr, Werke zu vervielfältigen. Sofern auch der bildende Künstler auf digitale Werke umgestiegen ist, trifft dies auf ihn entsprechend zu, nicht auf jene, die ihre Werke in Stein, Bronze oder Stahl etc wie gehabt als begreifbare Kunst als Unikate realisieren. Selbst in diesem Bereich gibt es inzwischen erste Möglichkeiten der Digitalisierung - es ist ja inzwischen möglich, komplexe dreidimensionale Objekte aus verschiedensten Materialien aufgrund von digitalen Vorlagen zu drucken und zu materieller Existenz in beliebiger Zahl zu verhelfen.

Gerade durch die Digitalisierung bekommen weite Teile der Kunst aber allgemein eine neue Chance, gleich ob darstellende oder bildende Kunst. Durch die Digitalisierung der Produkte wird Kunst allgemein verfügbar und verliert den Makel des Exklusiven und Unzugänglichen. Es werden wieder mehr die Inhalte zählen und nicht so sehr finanzielle Aspekte, wovon letztlich Kunst, Künstler und auch das Publikum nur profitieren können.