Über mich

Dr. O. Hoffmann

Photographie

Schon seit ihren Anfängen war der künstlerische Gehalt der Photographie in ständiger Diskussion. Schnell stellte sich auch heraus, daß die angeblich so objektive Abbildung der Realität nur eine Illusion war - es gibt kaum etwas subjektiveres als eine gute Photographie, gerade weil sie suggeriert, eine unangreifbare Wahrheit darzustellen.

Mir hat die Photographie einen anderen Blick auf die Welt ermöglicht. Ich habe mich auch immer hinter der Kamera wohler gefühlt als davor, wenngleich ich einen gewissen Reiz der Selbstdarstellung nicht abstreiten kann. Die Ästhetik von Formen und Farben schien erst durch das Objektiv betrachtet bemerkenswert zu werden. Mit dem Akt des Photographierens begann eine Auseinandersetzung mit dem Motiv. Anders als das Wort appelliert das Bild nicht nur an den Verstand, die Dinge scheinen einleuchtend, gleichsam begreiflich zu werden.

In unserem digitalen Zeitalter allerdings stellt sich wiederum alles als Illusion heraus, Wort wie Bild werden zu einem Wust von Nullen und Einsen auf einem elektronischen Datenträger, die willkürlich manipulierbar werden. Die Photographie hält damit keinen Augenblick der Realität mehr fest - wenn sie es denn jemals getan hat. Die Photographie wird mehr und mehr genau wie das Wort ein Medium, um seine eigenen Ideen und Werte darzustellen und zu vermitteln.

Was aber bei der klassischen Photographie noch besonderes Spezialwerkzeug erfordert hat, gelingt bei der Digitalphotographie bereits mit einfachen Programmen: die komplette Manipulation des Bildes. Ist man sich dieser Tatsache bewußt, kann dies künstlerisch genutzt werden. Durch die unmittelbare Zugänglichkeit des Ergebnisses fördert dieses Verfahren auch die Experimentierlust, um zumindest bei nahezu statischen Objekten die Qualität des Bildes zu steigern und den Einfallsreichtum und die Kreativität zu fördern. Was früher im Photoalbum vergessen wurde, kann auch nunmehr mit der ganzen Welt geteilt werden - bei vielen Bildern mag das auch ein Nachteil für die Welt sein, bietet doch aber auch neue Chancen für gute Photographen, deren Werke sonst unbekannt geblieben wären.

Bei der reinen Vermittlung von Information, insbesondere bei Nachrichten, die primär aus Bildern bestehen oder aus einer Kombination von Bildern und Text, ist die Gefahr der Manipulation natürlich sehr groß, das kann von unbeabsichtigten Manipulationen durch Farb-, Helligkeits- oder Kontrastkorrekturen bis hin zu kompletten, absichtlichen Fälschungen gehen. Daneben ist es mit hinreichendem Rechenaufwand auch möglich, realistische oder gar hyperrealistische Bilder komplett synthetisch zu erstellen.

Auch in der Wissenschaft ist das Thema kritisch, wenn etwa Meßdaten und Modelle visualisiert werden. Was ist bei der Darstellung noch hilfreich, um die tatsächlichen Fakten darzustellen, was bereits Interpretation oder gar Suggestion?

Ein kniffliges Thema - kann man ultraviolett oder infrarot strahlende Objekte im Weltraum wirklich photographisch darstellen oder ist das bereits durch die Verschiebung in den sichtbaren Bereich eine suggestive Interpretation? Sind Abbildungen mit Elektronenmikroskopen, Rastertunnelmikroskopen, Röntgen- oder Magnettomographen, Ultraschallbilder wirklich Darstellungen von Dingen, die man sehen kann, die es wirklich gibt oder doch nur Interpretationen wissenschaftlicher, technischer Daten? Gibt es manchen, der bei der Darstellung von Atomen, Atomkernen oder noch kleineren Partikeln zweifeln mag, tut er das auch, wenn er ein sogenanntes Ultraschallbild von seinem Nachwuchs in Händen hält? Gibt es Zweifel am eigenen Knochenbruch, nur weil man davon nur eine Röntgenaufnahme gesehen hat, aber niemand wirklich das Fleisch aufgeschnitten hat, um nachzusehen? Klar beim Knochenbruch und auch beim Kind im Bauch der Mutter könnte man nachsehen und prüfen, ob die Abbildung dem entspricht, was 'wirklich' da ist und wie weit da Interpretation im Bild steckt und nicht nur Meßdaten. Bei fernen Sonnen kann man noch theoretisch hinreisen, die ultraviolette Strahlung wird man trotzdem nicht sehen, jedenfalls nicht besser als die unserer Sonne, etwa in Form von Sonnenbrand. Atome oder gar Elementarteilchen kann man im klassischen Sinne nie sehen, dagegen hat die Wellenoptik etwas, obgleich es natürlich wieder Tricks gibt, visualisierte Messungen, die einem suggerieren, man können mit geeigneten Apparaten etwas sehen. Aber wie bei allen Bildern, Photographien ist das die Interpretation einer Messung, selbst bei einer Holographie ist das der Fall.

Bereits ein blinder Mitmensch würde ohnehin vermutlich eher von begreifen sprechen und es sogar teilweise wörtlich meinen. Immerhin, dieser hätte massive Probleme, wenn er seinen Mitmenschen nicht zubilligen würde, daß diese Abbildungen sehen können, sich ein Bild von den Dingen der Welt machen, gerade weil er zumindest teilweise davon abhängig ist, daß andere Menschen sehen und damit selbständig in unserer Umwelt für den Blinden agieren können, wo dieser mit begreifen nicht mehr weiterkommt.

Als philosophische Frage stellt sich also weniger, ob es das 'wirklich' gibt, was abgebildet ist, sondern eher, wie manipulativ oder suggestiv die Darstellung von Messungen ist und ob diese Interpretationen implizieren, die eine Existenz von Entitäten nahelegen, die bei einer anderen Darstellungsart gar nicht auftreten würden. So kann man etwa auch fragen, ob es die Quarks der Teilchenphysik 'wirklich' gibt, obwohl man sie doch gar nicht voneinander separieren kann, nicht getrennt beobachten. Und da zeigt sich auch schon der Schlüssel - die Interpretation von Meßdaten resultiert in Modellen und Vorstellungen über die Welt, die mehr oder weniger gut passen, teils auch abhängig davon, wonach man genau fragt. Die Meßdaten bringen einem Aspekte über die Dinge und die Messung selbst näher. Beobachtetes und Beobachter sind nicht eindeutig voneinander zu trennen.

Vermutlich gibt es gar keine 'Wahrheit', keine Objektivität der Beobachtung. Es gibt nur Möglichkeiten und Modelle, mit welchen wir interpretieren, was wir wahrnehmen und messen. Die Art oder Methode der Wahrnehmung oder Messung kann bestimmen, wie wir interpretieren, was wir für real halten. Sofern das Modell aber ausreicht, um in dieser 'Realität' gezielt zu agieren, ist der philosophische Unterschied zwischen dem was 'real' ist und unseren Bildern davon praktisch gar nicht so wichtig. Wichtig bleibt nur, immer in Erinnerung zu behalten, daß es sich um Modelle und Interpretationen von Messungen handelt, nicht um die Dinge selbst. Und das trifft auch auf jedes Photo zu, welches eben keine profane Abbildung eines Teils der 'Realität' ist, sondern eine Ansammlung von Meßdaten, die immer einer Interpretation unterliegen.