Über mich

Dr. O. Hoffmann

Lieben

Von außen betrachtet ist Liebe und Sex immer das Gleiche. Ewig wiederholt sich das so durchsichtige Spiel der Hormone, die den Menschen in den Wahnsinn treiben, damit er sich vermehre.
Natürlich macht man sich zum Toren, wenn man liebt, und erst recht, wenn man darüber schreibt, was schon so viele zuvor erlebt und getan haben.

Subjektiv betrachtet ist die Liebe ein Wert an sich - es gibt nichts Wichtigeres im Leben als zu lieben und geliebt zu werden, wenn dieser Fall denn erst einmal eintritt. Da macht man sich gerne zum Toren und nickt verständnisvoll, wenn es andere ebenso erwischt. Und dann lohnt es sich auch, sein ganz persönliches Erlebnis in Worte zu fassen und sein Glück in die Welt hinauszuschreien.

Nur glauben sollte man nicht, das passiere alles zum ersten Male auf dieser Welt und das eigene Glück sei das Außergewöhnlichste, was auf der Welt jemals passiert sei. Nein, mit Fug und Recht ist es den meisten anderen Leuten komplett egal, denn es gibt nicht nur die eigene Lust und Liebe auf der Welt, nein, einen jeden Tag müssen wir auch sehen, daß wir mit der Welt fertig werden und weiterleben.
Aber auch das sollte einen nicht davon abhalten, genau das zu tun, wohin einen die Hormone drängen, mystifizieren muß man das nicht - aber seine Mitmenschen sollte ein jeder als solche behandeln und nicht als Verbrauchs- und Konsumgüter.

Partnersuche

In mehrfacher Hinsicht ist die alte Hypothese, daß sich zu jedem Topf ein passender Deckel findet, ziemlich irreführend.
Zum einen kann man das so mißverstehen, daß Topf und Deckel automatisch zusammenfinden. Bei realen Töpfen und Deckeln werden die meist gleich paarweise, zusammen und passend produziert. Bei Menschen ist das nicht so. Das sind alles Unikate, da paßt nur etwas, wenn man sich aufeinander einläßt. Und auch automatisch findet sich nichts. So bleibt aufgrund des Mißverständnisses so mancher Topf ohne Deckel und umgedreht.
Zum anderen scheint das zu implizieren, daß generell für einen Topf ein Deckel benötigt wird und umgedreht. Nun mag man noch argumentieren, daß man mit einem Deckel allein nicht viel anfangen kann, mit einem Topf schon.
Wenn bei realen Töpfen und Deckeln die Paßgenauigkeit auch sehr wichtig für die gemeinsame Funktion ist, so ist es bei menschlichen Paaren doch auch die Kombination von Unterschieden und Gemeinsamkeiten, vor allem aber auch die gemeinsamen Anstrengungen, miteinander auszukommen, keine einseitigen Kompromisse zu schließen, die einer Beziehung zu Dauerhaftigkeit verhelfen, insbesondere weil sich Menschen auch im Laufe der Zeit verändern.
Lieben kann man ja auch nur an einen Individuum, was individuell ist, also die Ecken und Kanten, die den Menschen erst zu etwas besonderem machen. Bei Deckeln und Töpfen geht es hingegen um Massenproduktion, wo es recht belanglos ist, wie man kombiniert, wenn nur die Durchmesser zusammenpassen, die Töpfe und Deckel ändern sich nicht und gehen nicht aufeinander ein, paßt also entweder oder nicht, da ist nichts zu drehen, bei Menschen können Kompromisse gemacht werden, man kann aber auch komplett falsch liegen, ohne es zunächst oder überhaupt zu merken.
Eine weitere Implikation ergibt sich für die Dauer der Beziehung, während Topf und Deckel füreinander gemacht sind und zeitlich unbefristet und ohne dramatische Konflikte zusammen wirken, selbst oder gerade wenn in der Beziehung etwas heftig aufkocht, wird es bei menschlichen Beziehungen oft dramatisch, wenn etwas darin heftig aufkocht. Oft mag dann der Deckel nicht mehr lange zum Topf passen und das Paar mag auseinanderfliegen. Aber auch bei einem Schnellkochtopf mag bei ausreichend Druck gar eine Explosion das Ensemble komplett zerstören, was dann wieder an selbstzerstörerische Beziehungen erinnert.

Stellt man diesem die ebenfalls recht geläufige Hypothese entgegen, Mann/Frau brauche Frau/Mann ebenso dringend, wie ein Fisch ein Fahrrad, so zeigt uns schon das inzwischen gefiederte/geflügelte Wort 'Fisch sucht Fahrrad', daß trotzdem offenbar ein Bedarf besteht, obgleich beides scheinbar nicht intuitiv oder von selbst zusammenzupassen scheint.
Problematisch ist an dieser Metapher oder Parabel schon einmal, daß hier der Partner in Form des Fahrrades zum Objekt des Begehrens gemacht wird, es wird also auf den Gebrauchswert hinsichtlich des eigenen Bedarfs reduziert. Es geht also weniger um Liebe als um den funktionellen Nutzen der anderen Personen, es geht also um das Benutzen, Ausnutzen, Gebrauchen, vielleicht in dem Zusammenhang sogar um das Mißbrauchen des anderen in einer Beziehung, ausschließlich um eigene Bedürfnisse zu befriedigen.
Wie kommen die beiden nun zusammen, wie das eine in die Domäne des anderen? Gut, das Fahrrad landet gerne einmal als Schrott im See oder im Meer und trifft dort seiner Funktion beraubt auf den Fisch, der mit diesem Objekt aus einer anderen Welt nicht viel mehr anfangen kann, als es als exotisches Sammelobjekt zu lieben oder zu verwenden. Wenig oder nicht mobile oder wenig wehrhafte Wasserbewohner können es indessen auch als Riff-Ersatz zur Ansiedlung verwenden oder auch als Schutz vor Angreifern. Das von anderen offenbar bereits als unbrauchbarer Schrott entsorgte Fahrrad bekommt hier also in neuem Umfeld eine komplett neue Funktion zugeschrieben. Von daher ist es nicht so unplausibel, wie es zunächst scheint, daß der Fisch ein Fahrrad sucht. Der Einsiedlerkrebs sucht ja auch passende Gehäuse als Unterkunft, statt selbst eine zu bauen.
Umgedreht, wagt sich der Fisch aus seiner vertrauten, angestammten Domäne heraus und an Land, was zu historischer Zeit durchaus passiert ist, so kann ein Fahrrad nach langer Zeit und Evolution einmal nützlich werden. Hier ist also Anpassung gefragt, um in der fremden Domäne zu leben und zu überleben oder auch gut zu leben, das Fahrrad wird irgendwann zu einem sehr nützlichen Werkzeug.
So oder so stecken in der Metapher also Möglichkeiten - die Suche nach Schutz und Geborgenheit, aber auch die Eroberung neuer Lebensräume, was durch das gesuchte Objekt Fahrrad erleichtert oder erst ermöglicht wird.
Der Fisch als Begriff kann hier sowohl als christlich-religiöse Metapher verstanden werden, aber auch als eindeutig sexuelle Anspielung, was in diesem Zusammenhang plausibler ist. Dann wird das Fahrrad zu einem Werkzeug der sexuellen Stimulation, also quasi zum Dildo-Ersatz als Ersatz für den menschlichen Partner. Auch diese Assoziationskette betont wieder den Partner als Werkzeug oder Lustobjekt, stellt also implizit klar, daß Liebe in solch einer Beziehung keine große Rolle spielen wird.
Indessen ergibt sich daraus für die Eingangshypothese Mann/Frau brauche Frau/Mann ebenso dringend, wie ein Fisch ein Fahrrad neben der zunächst naheliegenden Interpretation - Fisch braucht kein Fahrrad, also braucht Mann/Frau auch keinen Partner - auch Plausibilität für die umgekehrte Interpretation, um neue Lebensräume zu erobern oder auch zur sexuellen Stimulation oder Befriedigung kann der Fisch das Fahrrad ganz gut gebrauchen, der Zusammenhang oder die Nützlichkeit ist nur auf den ersten Blick nicht unbedingt ersichtlich, impliziert aber doch immer eine Instrumentalisierung des Gegenübers als Objekt, ob nun Schutz, Hilfsmittel oder Lustobjekt bleibt hier den persönlichen Bedürfnissen überlassen.