Über mich

Dr. O. Hoffmann

Zeit

Vielleicht sollte ich auch einmal etwas zum Lauf der Zeit sagen. Wo in früheren Jahrhunderten oder Jahrtausenden die Menschen mit 30 oder 40 bereits meist tot waren, bedingt durch Krieg, Krankheit oder harte Arbeit, so hat der Mensch heute gute Chancen, über 90 oder 100 Jahre alt zu werden. Und wenn man etwas nachdenkt, stellt man fest, jene, die das derzeit wirklich tun, waren weit davon entfernt, in ihrem ganzen Leben optimale Bedingungen vorzufinden. Sie haben mit zwei Weltkriegen in Jugend und Kindheit harte Zeiten durchgemacht.
Ein weiteres interessantes Merkmal der Statistik der durchschnittlichen Lebenszeit ist offenbar, daß Leute, die bereits 40, 50 oder 60 Jahre geschafft haben und noch recht munter sind, gute Chancen haben, noch deutlich älter zu werden, weil diese Altersgruppe besondere Risiken von Kindheit und Jugend offenbar überlebt hat.
Andererseits ist es nach heutigem Kenntnisstand unwahrscheinlich, deutlich älter als 120 Jahre zu werden.

Nun, ich habe selbst inzwischen in besseren Zeiten bereits einige Jahre Erfahrung im Älterwerden gemacht und muß so im Rückblick sagen, es ist gar nicht so schwer. Das meiste geht von allein - und trotz reichlich hinzugewonnener Erfahrung (und Weisheit?), mit deutlich über 40 Jahren fühlt man sich körperlich oder geistig auch nicht schlechter dran als mit unter 20.

Auch ich war einmal ein Jüngling mit krausen Gedanken und revolutionären Ideen im Geiste. Nunja, ein Jüngling bin ich nicht mehr und zu den krausen Ideen sind Erfahrungen hinzugekommen, die oftmals diese Ideen weniger in Frage stellten als mehr das Menschsein an sich. Gibt es da wirklich keinen Fortschritt, kein Mehr an Kultur, an sogenannter Menschlichkeit? Ist da wirklich nicht mehr als die dünne, zerbrechliche Schale an Kultur und Zivilisation, die ein Ansturm einer wilden Horde in Stunden, Tagen oder wenigen Jahren vergessen machen kann?

Irgendwie scheint es sich immer wieder zu bewahrheiten, daß es nichts umsonst auf der Welt gibt - was aber nicht kommerziell gemeint ist. Als Physiker würde man das als Erhaltungssatz formulieren. Nun, ich bin gelassen geworden und amüsiere mich auch mal gern über das oftmals offensichtlich absurde Treiben. Das Universum jedenfalls wird ohne den Einzelnen, ja ohne die ganze Menschheit weiterexistieren. Das sollte die Wichtigkeit unserer Existenz und unseres ganzen Treibens auf der Erde angemessen relativieren. Wichtigkeit ist subjektiv und verliert seinen Sinn ohne das Subjekt. Es ist diese Vergänglichkeit des Seins, dieses gleichmäßige Dahinströmen der Zeit, die das Leben auch einfach leichter macht, wenn sich die Bedeutung des Geschehens relativiert.

Was ich aber ganz persönlich wichtig finde - einstweilen einen Logenplatz bei diesem Menschheitsschauspiel zu behalten und ab und an auch mal ein Stichwort einzuwerfen und zu hoffen, die Handlung ein klein wenig zu beeinflussen, vielleicht an diesem oder jenem Kapitel mitzugestalten. Das macht das Leben spannend und interessant. Da kostet der Denker immer wieder gerne von diesem bittersüßen Trunk, der doch immer wieder süchtig nach Mehr macht.

Mag die ungestüme Jugend die Realität ihrem eigenen einfachen Verständnis anpassen wollen, mag das Alter in seiner Weisheit dabei nur noch lächelnd zuschauen, so macht es doch immer wieder Spaß, einfach ein bißchen zu wirken, um den Lauf der Dinge ein wenig im eigenen Sinne zu wenden, das Leben aller zu bessern. In der Veränderung liegt das Wesen des Seins und des Universums. Veränderung ist Zeit.