Wie die listige Fischerin den lüsternen Gnom zähmte

Ein Märchen für Erwachsene

von Olaf Hoffmann

Einst zog ein lüsterner Gnom lustig durch die Lande. War er allein, so barg er seine unscheinbare, schrumplige Gestalt in eine faltige Kutte und seinen kahlen Kopf deckte eine tiefe Kapuze.

Kaum kam er jedoch in die Gesellschaft von Frauen jeglicher Art, ob nun edle Damen oder schlichte Mägde, freche Schönheiten oder schüchterne junge Mädchen, kaum den Kinderschuhen entwachsen, seien es auch kokette Kokotten oder kokotte Koketten, so richtete er sich stolz auf, streckte und reckte sich gerad auf und hob den Kopf prächtig empor und erschien einer jeden als fescher Bursche, dem kaum zu widerstehen war. Die Kutte wurde glatt, straff und kleidsam und der hübsche Kopf barg sich nicht mehr unter einer faltigen Mütze, die mit einem Male verschwunden zu sein schien.
Jetzt verstand er es zu schmeicheln und zu blenden. Mit Charme gewann er so manche, bei der er freudig unter dem Rock zu lüsternem Vergnügen und aufregendem Spiel beiderseits verschwand.

Der Gnom liebte die Abwechslung in Form und Person, die Vielfalt und der Wechsel war sein Pläsier. Bei keiner mochte er lange verweilen, doch bei jeder suchte er sich einmalig zu machen mit Geschick und Vergnügen, so daß es jeder eine Freude war, ihn zu empfangen und zu genießen. Das aber wandelte sich regelmäßig in ein trauriges, frustriertes Elend, wenn er wieder davon geschlichen war und seine Schmeicheleien und Versprechen sich als Luftblasen erwiesen, als charmante, aber hohle Täuschereien, um schnell zu seinem Ziele zu kommen und der Lust und Befriedigung unter dem Rock zu frönen.

Und doch konnte keine dem geschickten Filou lange wirklich böse sein, zumal wenn er dann doch noch zu einem weiteren Gastspiel frech charmant vorsprach und sich alsdann natürlich nach seiner freigiebigen Spende der Lust und des Vergnügens wieder jeglicher Verpflichtung entzog.

Was kann man schon tun? fragte so jede, wo es doch auch so schön gewesen sei. Und wo sich Lust und Vergnügen des Augenblickes mit dem anschließenden Schmerz und der Enttäuschung des Verlassens mischten, da herrschte zumindest Abwechslung im sonst oft so eintönigen Alltag des Seins.

So wanderte der lüsterne Gnom jahrein jahraus mit seinem großen Rucksack und lernte Land und Leute, besonders Frauen kennen, nie mehr als oberflächlich und im Vorbeigehen, dafür aber vielfältig und leidenschaftlich. Wo andere vielleicht schon dekadent wählerisch geworden wären und sich auf einen bestimmten Frauentyp spezialisiert hätten, da blieb der Geschmack des Gnoms breit gefächert und er nahm die Frauen, wie sie sich aus den Gelegenheiten ergaben.

Eines Tages führte den Gnom seine Wanderung an eine einsame Küste eines großen Sees in einem fremden Lande. Einerseits wollte er genau diesen See einmal sehen, um den sich manche Geschichten rankten, andererseits wähnte er sich hier schon falsch, weil gar nirgends Abwechslung in Form von interessanten und begehrenswerten Frauen zu sehen war.
Er schätzte aber auch, daß es viele Stunden dauern würde, zu einer Stadt oder einem ansehnlichen Dorf zu gelangen. Da sah er ein einsames Häuschen stehen und so entschloß er sich ohne viel Hoffnung, dort sein Glück zu versuchen.

Und auch diesmal schien ihm das Glück hold zu sein, denn nicht weit vom Häuschen saß eine hübsche Fischerin, die leise fröhlich singend konzentriert ihre Netze reparierte.
Augenblicklich richtete sich der Gnom zu seiner stattlich beeindruckenden prallen Gestalt auf. Denn kaum hatte er die schöne Fischerin gesehen, war sein Interesse bereits geweckt.
Sie bemerkte ihn erst, als er schon ganz nah war und nickte ihm freundlich zu, der sich bereits in voller Pracht vor ihr präsentierte und einfach beeindruckte. Ein Zauber schien aus dem schrumpeligen Gnom einmal mehr diesen stattlichen Burschen zu machen, der einfach das Herz einer jeden Frau schneller schlagen ließ.
So suchte er sich auch hier in ein gutes Licht zu setzen und schmeichelte und trieb sein galantes Spiel, um charmant zu beeindrucken, sich beliebt oder gar geliebt zu machen.

Auch der Fischerin gefiel der stattliche Bursche wirklich gleich sehr wohl, wie bereits schon so vielen anderen zuvor. Doch hatten sie ihre unlängst verstorbenen Eltern gewarnt vor dem unsteten wandernden Volk und so blieb die ruhige und kluge junge Frau nach außen hin gelassen und freundlich und ließ sich ihr durchaus vorhandenes Interesse nicht anmerken.

So erstaunt es auch nicht, daß sie das schließlich vom lüsternen Gnom vorgebrachte Anliegen, bei ihr einzukehren, für die Nacht unterschlüpfen zu dürfen, erst einmal ruhig und freundlich ablehnte, ihm jedoch einen bequemen Schlafplatz im Schuppen gern anwies. Sie war durchaus nicht abgeneigt, doch war sie keine flüchtige Wanderin, die sich mit einem flüchtigen Abenteuer hätte zufrieden geben wollen. Sie war hier heimisch und sehnte sich mehr nach Dauerhaftem, Verläßlichem, was sie dem fremden Wanderer noch nicht zutraute. Sie mußte erst Vertrauen zu ihm fassen, um sich ganz auf ihn einzulassen. Doch als Fischerin lag es in ihrer Art, das Wilde, Unstete zu fangen, in ihre Sphäre zu bringen und so zu zähmen, zu ihrem zu machen.
So begann sie also, ihre Netze zu spinnen und zu spannen, mit Worten und Gestik, mit freundlichem Lächeln und schönen Gebärden, um herauszufinden, wie es um den Burschen wirklich stehe, ob er von Natur aus ein unsteter Wanderer sei, der nicht zu halten wäre, zu stark und zu wild für ihre Netze, oder ob er nur noch keine Heimat gefunden habe, ob ihm der innere Trieb durch die Ferne jage oder ob er letztlich auf der Suche nach der Heimat sei.

Sie teilte mit ihm ihr schlichtes Mal und gab ihm zum Ausgleich am nächsten Tage kleine Aufgaben auf, als er am nächsten Morgen bat, noch etwas bleiben zu dürfen. Sie war einverstanden und fuhr wieder hinaus, ihren Fang zu machen und später auf der anderen Seite des Sees in einem Städtchen zu verkaufen. Abends kam sie wieder zurück, mit allem, was sie zum Leben brauchte und nicht selber auf ihrem kleinen Acker anbauen konnte. Ihr Wohnort auf der einsamen Seite des Sees hatte sich bewährt, da die besten Fanggründe gerade auf dieser Strecke zur anderen Seite lagen.

So saßen sie wieder in der Abendsonne bei entspannter Feierabendarbeit und scherzten und lachten miteinander. Mehr noch als am ersten Abend kochte im lüsternen Gnom das Begehren, bei ihr unterschlüpfen zu dürfen und sich und ihr eine fröhliche Nacht zu bereiten. In seiner eiligen und doch so raffinierten Art trachtete all sein Reden, seine Gestik, sein Handeln nach diesem Ziel. Die listige Fischerin aber merkte dies wohl und sponn entschlossen ihr Netz mit ihren Worten, dem zauberhaften Lächeln und verlockendem Liebreiz, daß der Gnom ganz zappelig wurde. Zwar hatte auch sie Lust auf mehr, doch ließ sie ihn natürlich auch diese Nacht nicht bei sich unterschlüpfen, sondern wies ihm seinen Schlafplatz im Schuppen an.

Der Gnom blieb einen weiteren Tag und umschmeichelte sie abends wieder mit all seiner Kunst und verfing sich allmählich in ihren Netzen, ohne es zu bemerken, als sie zarte Liebkosungen und Neckereien gern zuließ und auch ihm zukommen ließ.
Der Gnom war zum Bersten erregt und konnte kaum einschlafen, doch mußte er sich ihren Wünschen fügen. Seine Gedanken kreisten nur noch um die schöne und listige Fischerin, die er so begehrte, daß alles, was er sagte und wiederholte, um ihr zu schmeicheln, sich mehr und mehr in seinen Gedanken von bloßen Worten zu Wahrheit und Gefühl zu festigen begann.

So setzte sich ihre Beziehung aus einer Mischung aus Lust und Qual über die Woche fort, wobei die listige Fischerin schließlich fast alles an Zuneigung und Zärtlichkeiten erlaubte und erwiderte, nur unterschlüpfen ließ sie ihn nie.
In der folgenden Woche konnte sie aber seine wachsende Unruhe unmöglich mehr übersehen oder vielmehr darüber hinwegsehen. Seine pralle Anspannung und stattliche Erregung suchte nach einem Ventil zur Entladung. So kam es eines Abends, daß sie mit ihren geschickten Fingern, ihren kräftigen Lippen und mit flinker Zunge einfach für eine Entspannung sorgen mußte.

Oh, wie genoß er ihre hingebungsvolle Liebkosung, ohne doch schon am Ziel seiner Wünsche zu sein. Er verfing sich ganz und gar in den Netzen der listigen Fischerin ohne Entrinnen. Sie hatte ihn gefangen mit ihren Reizen und ihren eigenen Raffinessen. Sie gewährte ihm ab und an in den folgenden Wochen die Gunst des Vergnügens, doch konnte er sich nie darauf verlassen, wann und wie, denn sie hatte Phantasie und vermochte immer, ihn zu überraschen und sein Warten zu versüßen.
Sein Schmeicheln war so zum ehrlichen Antrag geworden, seine Rede war Dankbarkeit, bei ihr sein zu dürfen. Er wagte nicht einmal mehr zu fragen, ob er bei ihr unterschlüpfen dürfe.

Eines Sonntags aber, an dem die Fischerin nie hinaus zu fahren pflegte und sie es sich auf einer märchenhaft schönen Sommerwiese voller wilder Blumen und summender Insekten gut gehen ließen, überraschte sie den Gnom erneut, indem sie fragte, was er denn meine, wie es eigentlich weitergehen solle, ob er am Ende gar bleiben wolle oder doch lieber weiterwandern.

Der Gnom aber hatte längst keinen Gedanken mehr an das Wandern gehabt. Alle seine Gedanken waren in den liebreizenden Netzen der hübschen und liebevollen Fischerin gefangen. Also gestand er ihr, er könne nicht mehr von ihr, wenn sie ihn nicht vertreibe. Sie aber lachte und umarmte ihn vergnügt und liebkoste ihn aufs Zärtlichste. Sie waren sich einig und die Fischerin beschloß ihm und der Festigkeit ihres sorgsam gewobenen Netzes zu vertrauen.
Daher ließ sie ihn in dieser Nacht endlich bei sich unterschlüpfen und sich austoben, spornte ihn weiter und weiter an, obgleich ihr das eigentlich nicht leicht fiel. Und doch ermunterte sie ihn erneut und erneut, spornte ihn weiter an mit zärtlich fordernden Worten und mit geschickten Händen, starken Lippen und flinker Zunge. Der Gnom aber konnte sich dem Reiz nicht lange entziehen und verausgabte sich wieder und wieder, bis er erschöpft in einen der Ohnmacht ähnlichen Schlaf fiel, als es fast Morgen war. Er hatte seine Meisterin in ihr gefunden, die mindestens ebenso erschöpft war, aber trotzdem mit all ihrer Kraft durchhielt und ihren großen Fang nicht fahren ließ sondern unbedingt hielt. Ihre Netze waren gut und sie brauchte all ihre Ausdauer, um den Burschen nicht doch noch entkommen zu lassen.
Der aber war viel zu erschöpft, um ans Wandern auch nur zu denken. Sie forderte ihn in der nächsten Nacht wieder, nicht so arg wie in der ersten, doch genug, um ihre Netze fest zu halten, die Maschen nicht zu weit werden zu lassen. Wieder fiel er in einen seeligen Schlaf und sie faßte so viel Vertrauen, daß sie selbst schnell einschlief.

Die listige Fischerin blieb weiter aufmerksam, forderte und spornte an und hielt die Maschen ihres Netzes im rechten Maß, nicht zu eng, um ihrem Gnom genug Freiraum zu lassen und nicht zu überfordern, nicht zu weit, daß der listige Kerl ihr nicht doch noch entrinnen konnte. Es gelang ihr, den Reiz, die Überraschung, ihr Fordern immer frisch und interessant zu halten. Das waren die Maschen ihres Netzes, mit dem sie den Gnom gefangen und für sich gezähmt hatte. In ihrem Schoß hatte er seine wohlige Heimat gefunden, eine beinahe vertraute Ruhe, aber auch die immer neue geheimnisvolle Aufregung, die sie beide immer wieder genossen und noch heute genießen mögen, ja wenn es ihnen beiden gelungen ist, das Interesse wach und die Netze im Auge zu behalten, die sie aneinander banden. Denn so waren beide des anderen Fang, Eroberung, den sie wie einen Schatz ehrten, zu ihrem Leben gleich Nahrung brauchten.